Schwindel ist ein häufiges Symptom (wie beispielsweise Schmerzen), dem viele unterschiedliche Ursachen zugrunde liegen können. Die Behandlung der verschiedenen Schwindelformen kann diverse (medikamentöse, physikalische, therapeutische, selten operative) Maßnahmen umfassen. Da die meisten Schwindelsyndrome einer spezifischen Therapie bedürfen, ist wie bei allen therapeutischen Maßnahmen, eine präzise diagnostische Einordnung der Beschwerden Grundvoraussetzung jeder Behandlung. Häufig ist nach Diagnosestellung ein wichtiges Behandlungsprinzip die physio- oder ergotherapeutische Intervention. In Fachkreisen wird die Behandlung bei Schwindel, Gleichgewichts- oder Gangstörungen als Vestibuläre Rehabilitationstherapie (VRT) bezeichnet.
Vestibuläre Rehabilitationstherapie (VRT)
Die vestibuläre Rehabilitation ist ein effektives Verfahren für Patienten mit Schwindel, Gleichgewichts- und Gangstörungen unterschiedlicher Ursache. Wichtig ist eine Differenzierung der zugrundeliegenden Beschwerden anhand der Anamnese und verschiedener Untersuchungsbefunde. Ist die korrekte Diagnose gestellt, wird ihr Therapeut mit Ihnen Ihre individuellen Probleme und Ziele identifizierenund die dementsprechende Therapie mit Ihnen erarbeiten. Je nachdem wie sich Ihre Schwindelbeschwerden äußern und wo die Symptome ihren Ursprung haben, wird eine individuell, für Sie effektive Therapie, erarbeitet.
Die vestibuläre Rehabilitation von Schwindelsyndromen umfasst vereinfacht ausgedrückt vor allem zwei Bereiche: (1) spezifische Befreiungsmanöver bei Lagerungsschwindel und (2) das vestibuläre Gleichgewichtstraining bei akuten und chronischen Schwindelerkrankungen.
Lagerungs- oder Befreiungsmanöver
Für die häufigste Schwindelerkrankung – den gutartigen Lagerungsschwindel – erfolgt die Behandlung mit spezifischen Befreiungs-, oder Lagerungsmanövern. Beim gutartigen Lagerungsschwindel handelt es sich eine Erkrankung durch Loslösung der Ohrsteinchen, die sich dann in einem der Bogengänge frei bewegen können. Dort verursachen die Steine Schwindelbeschwerden bei Kopf- oder Körperlageänderung. Die spezifischen Befreiungsmanöver bringen die sogenannten Otokonien wieder aus dem Bogengang und an ihre richtige Position. Es gibt für die verschiedenen Bogengänge im Innenohr unterschiedliche Lagerungsmanöver, um die Bogengänge von den Steinen zu befreien.
< links: Diagnose/Lagerung bei einem Lagerungsschwindel des rechten hinteren Bogengang.
Vestibuläre Rehabilitationstherapie (VRT)
Bei den meisten anderen Schwindelsyndromen wenden wir in der Vestibulären Rehabilitationstherapie ein anderes Training, ein vestibuläres Gleichgewichtstraining an. Hier können Schwindelbeschwerden, die durch eine Störung im Gleichgewichtsorgan im Innenohr (ein- oder beidseitig), dem Nervenverlauf bis zum Hirnstamm (peripher) oder im Gehirn (zentral) selbst, verursacht sind, behandelt werden.
Es können Schwindelgefühle, Gleichgewichts- oder Gangstörungen, Störungen der Augenbewegungen, oder Unsicherheiten auftreten, die durch ein spezifisches vestibuläres Training verbessert werden können. Die vestibuläre Rehabilitationstherapie trägt zu einer Stabilisierung des Gleichgewichtssystems und zu einer zentralen Kompensation bei und sollte gezielt an den individuellen Problemen des Betroffenen ansetzen.
Mit dem gezielten, effektiven Training sollte es zu einer Schwindelreduktion, Verbesserung des Gleichgewichts und somit zu mehr Sicherheit und Lebensqualität führen. Die Therapie setzt unter anderem Übungen zur Blickstabilisation, Kopf- und Augenkoordination und zur Gleichgewichtsförderung ein und erfordert eine aktive Teilnahme des Patienten.
Die Vestibuläre Rehabilitationstherapie ist ein ursprünglich in den 1940ern entwickeltes Rehabilitationsprogramm für Patienten mit geschädigten Gleichgewichtsorganen. Dieses Programm wurde in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten ergänzt und angepasst, gilt aber heute noch als Therapiestandard für Patienten mit Schwindel aufgrund von peripheren und zentralen vestibulären Ursachen. Die VRT wird zur Verbesserung der zentral-vestibulären Kompensation durchgeführt und beinhaltet zahlreiche, spezielle Übungen für das vestibuläre, visuelle und somatosensorische/propriozeptive System.
Damit die VRT möglichst effektiv ist, sollte individuell auf die Beschwerden des Patienten eingegangen werden. Das passiert optimaler Weise innerhalb eines intensiven Trainingsblocks unter Anleitung eines erfahrenen Schwindel-Therapeuten. Zusätzlich ist ein individuelles Hausaufgabenprogramm zum eigenständigen Üben unumgänglich, da gegen den Schwindel wiederholt und langfristig geübt werden muss, um ausgleichende Mechanismen zu aktivieren.
Da bei einigen Krankheitsbildern ein regelmäßiges, ausdauerndes Üben notwendig ist, um eine Besserung der Schwindelsymptomatik zu erreichen, ist ein individuelles Heimtrainingsprogramm ein wichtiger Baustein der VRT. Die Übungen lösen Ihre Schwindelsymptome aus, sollen aber keine Übelkeit/Erbrechen, Kopfschmerzen, oder sogar Stürze verursachen! Achten Sie bitte darauf: so viel Festhalten wie nötig, so wenig wie möglich! Die Wirksamkeit (Evidenz) der vestibulären Rehabilitation ist in zahlreichen Studien sehr gut untersucht und zeigt eine sehr hohe Evidenz bei vestibulären Schwindelformen.
Therapie bei nicht-vestibulär bedingtem Schwindel
Bei allen anderen Schwindelformen, die nicht aufgrund einer Schädigung oder Fehlfunktion im vestibulären System auftreten, kommt es auf die Quelle der Ursache an. Die Therapie richtet sich somit nach dem Ursprung der Fehlfunktionen. Es können folgende Ursachen für Ihre Schwindelbeschwerden verantwortlich sein:
Hier sollte eine Anpassung und Verhaltensänderung stattfinden und das System mit beispielsweise Kreislaufgymnastik, Hilfsmitteanpassung, oder Medikamenten gut eingestellt werden.
Manche Medikamente können für Ihre Schwindelprobleme verantwortlich sein und unterschiedliche Symptome hervorrufen. Vor allem Medikamente, die im zentralen Nervensystem wirken, aber auch Blutdruckmedikamente und Muskelrelaxanzien (Muskelentspannung) können zu Schwindelbeschwerden führen. Kann keine andere Schwindelursache gefunden werden, sollte ärztliche Rücksprache gehalten werden.
Es ist umstritten, ob die Halswirbelsäule als alleiniger Auslöser eines Schwindelsymptoms verantwortlich ist. Auch hier gilt, wenn keine andere Ursache für Ihre Schwindelbeschwerden gefunden und nachgewiesen werden kann, könnten die Beschwerden von Ihrer Halswirbelsäule kommen. In diesem Fall kann eine manuelle Therapie (Stabilisation/Mobilisation der Wirbelsäule, Muskel- und Gelenkbehandlung) Linderung bringen. Allerdings ist zu bedenken, dass es häufig durch Schonhaltungen und Minderbewegungen des Kopfes (aufgrund von Schwindel anderer Ursachen) zu Verspannungen im Hals- Nacken- und Schulterbereich kommt, die sich durch aktive Kopfbewegungen wieder beseitigen lassen.
Hier kann es zu unterschiedlichen Schwindelsymptomen aufgrund einer Fehlfunktion in mehreren Bereichen (Erkrankungen) kommen. Häufig spricht man im höheren Alter von multifaktoriellen Beschwerden, da mehrere Bereiche (Visuelles System, Innenohr-Unterfunktion und der Spürsinn vor allem in den Beinen) betroffen sein können. Therapeutisch ist es wichtig, die einzelnen Störungen zu diagnostizieren und dementsprechend zu behandeln. Falls eine Sturzgefahr besteht, sollte zusätzlich ein Sturz-Präventionsprogramm erfolgen.
Hier sollten gezielt die Körperwahrnehmung und das Zusammenspiel der sensorischen Systeme stimuliert und sukzessive gesteigert werden. Zusätzlich sollte eine Desensibilisierung durch eine dosierte Exposition erfolgen.
Hierbei kommt es zu Schwindelerscheinungen nach längeren Schiffs-, Zug- oder Flugreisen. Meistens kommt es zu einem vermehrten Schwank Gefühl, dass vor allem in Bewegung auftritt, nachdem man eigentlich wieder festen Boden unter den Füssen hat. Dieser Schwindel sollte nach ein paar Tagen komplett verschwinden. Falls der Schwindel andauert kann ein vestibuläres Training (mit Augen- und Kopfbewegungen) helfen, die Schwindelsymptome zu reduzieren oder zu beseitigen. Allerdings konnte in verschiedenen Studien nur zu gut der Hälfte zeitnah eine effektive Therapie erreicht werden. Hier ist zukünftig weitere Forschung nötig, um zur besten Therapieoption zu finden.